Maktûbât
02-08-2025
Werde ein Liebender auf dem Weg zur Wahrheit
O du Edler,
dieser Brief wird dir über etwas anderes mitteilen. Er möchte dich zum Handeln und inneren Kampf (spirituellem Kampf) ermutigen. Lies ihn aufmerksam, versuche ihn zu verstehen – und bemühe dich, das Erkannte in die Tat umzusetzen.
Sei Interesseiert. Verbring die Tage nicht sinnlos… Habe ständig etwas, wonach du suchst… Wer sucht, wird auch definitiv finden. Selbstverständlich muss man die Wege dazu kennen. Bemühe dich darum, deine Forderung mit dem Geiste des Koranverses zu verschmelzen:
„Diejenigen aber, die sich um Unsertwillen abmühen, werden Wir ganz gewiss Unsere Wege leiten. Und Allah ist wahrlich mit den Gutes Tuenden.“ (Der edle Koran 29:69)
Glaubst du wirklich, dass du, ohne dich abzumühen etwas erreichst?... Wie willst du finden, was du suchst, wenn du keinen spirituellen Weg der Disziplin gehst? Wie stellst du dir die Verschmelzung vor?...
Du sollst fordernd sein, aber in deiner Forderung nicht zu weit gehen. Übermäßige Erwartungen bleiben nämlich oftmals unerfüllt. Besonders bei der Forderung nach dem Wahren Gott, solltest du mit Achtsamkeit vorgehen. Wage es nicht, die von Ihm gesetzten Grenzen zu überschreiten. Sonst wirst du nicht nur das Suchende nicht finden, sondern auch das verlieren, was du bereits erlangt hast. Hüte dich davor, vor allem, wenn es um das göttliche Wesen (Zaat) geht, unbedachte Worte zu äußern oder vorschnelle Meinungen zu vertreten.
Genau hier musst du die Grenze deiner Forderung ziehen. Setze deinen Weg fort, um bis zu diesem Punkt zu gelangen. Doch darüber hinaus solltest du keine weiteren Ansprüche stellen. Warte einfach. Wenn sich der Weg öffnet, dann gehe weiter, wenn nicht, dann warte weiter. Warte erneut. Dieses Warten sollte dich ja nicht ermüden.
Setze deine innere Forderung fort, aber auf die vorgegebene Weise. Nur so wird deine Anforderung aufrichtig und rein. Wenn dein Begehren dieser Form entspricht, wird es sich wie von selbst läutern, und du wirst, gemäß der Verheißung im Vers
„Diejenigen aber, die sich um Unsertwillen abmühen, werden Wir ganz gewiss Unsere Wege leiten. Und Allah ist wahrlich mit den Gutes Tuenden.“ (Der edle Koran 29:69),
mit dem Siegel des Königs, also mit göttlicher Bestätigung, ausgezeichnet. Doch dieses Siegel erhalten nur diejenigen, die ihr Streben in dieser beschriebenen Weise fortführen. Ihnen anzugehören, wie sie zu streben und dieses göttliche Siegel zu empfangen, welch eine große Freude!
Ab diesem Zeitpunkt gewinnt das Streben eines solchen Suchenden an Wert. Weltliche Güter sind ihm gegenüber bedeutungslos. Er findet keinen Markt, auf dem er dies verkaufen könnte. Der einzige Markt, auf dem er seinen wahren Wert findet und wo er dies verkaufen kann, ist dieser:
„Allah hat von den Gläubigen ihre eigene Person und ihren Besitz dafür erkauft, dass ihnen der (Paradies)garten gehört. (…)“ (Der edle Koran 9:111)
Auf diesem „Markt“ findet das Streben seinen wahren Wert. Das Streben wird vergehen, und eine große Gegenleistung wird dafür kommen. Diese Gegenleistung wird nun zum Kapital des Suchenden.
Wenn du das Beschriebene umsetzt, wirst auch du dieses Vermögen erlangen. Dein Weg, so Gott will, wird der wahre Weg (Hakk) sein. Und du wirst die tiefere Bedeutung des Verses verstehen:
„Sicherlich, Allah gehört die aufrichtige Religion. (…)“ (Der edle Koran 39:3)
Sei bemüht aufrichtig zu sein. Und sei dir sicher, dass alles Gute, das du erreichst, definitiv nur mit Aufrichtigkeit (Ichlas) möglich ist.
Und vergiss folgendes nicht; Diejenigen, die die Aufrichtigkeit (Ichlas) verinnerlichen, sie erwarten große Gefahren. Solche Prüfungen lassen sich nur dann leichter bestehen, wenn der Reisende auf diesem Weg von wahrer Liebe getragen wird. Wenn auch du dich auf diesem Weg dieser Liebe hingibst, wirst du das Geheimnis der Gefahren, die den Aufrichtigen bevorstehen, erkennen. Sie werden sich vor dir offenbaren, und du wirst zuschauen. Finde die Liebe, und sei von den Begeisterten. Finde die Aufrichtigkeit (Ichlas).
Wenn du all dies gefunden hast, dann wird auch dir die Gnade (Ihsan) zuteil, die im folgenden Vers beschrieben ist:
„Ist denn jemand, dessen Brust Allah für den Islam auftut, so dass er sich nach einem Licht von seinem Herrn richtet, (einem beharrlich Ungläubigen gleich)? (…)“ (Der edle Koran 39:22)
Das erläuterte Licht dieses Verses wird deinen Weg erhellen.
Bemühe dich darum, die Liebe zu finden, und den inneren Eifer. Denn wenn du sie gefunden hast, dann wirst du erleben, welche Gaben dir zuteilwerden… Welche Gaben...
Unser Herr ist voller Güte und Großzügigkeit. Er öffnet deine Brust, dein Inneres, und lässt dein Herz erwachen, entsprechend dem Koranvers:
„(…) Ruft Mich an, so erhöre Ich euch. Gewiss, diejenigen, die sich aus Hochmut weigern, Mir zu dienen, werden in die Hölle gedemütigt eingehen.“ (Der edle Koran 40:60)
Daraufhin beginnst du, Allah, den Erhabenen, oft und inständig zu bitten, zu flehen und anzubeten. Gewiss wirst du auch eine Antwort auf dieses inständige Flehen erhalten.
Das Wichtigste ist, die göttliche Gnade und Barmherzigkeit zu finden. Wenn du es gefunden hast, so beginnt dein geistiger Aufstieg. Die materiellen und vergänglichen Dinge der Welt verlieren ihren Wert für dein Herz und deinen Blick. Du wirst nun die Wahrheit erkannt und begriffen haben. In diesem Zustand ist es notwendig, das, was du erkannt und verstanden hast, auch mit anderen zu teilen. Du trittst gewissermaßen in eine Stufe des geistlichen Wegweisens (Irşad) ein. Nun wird dir gesagt „Sprich!“. Du beginnst zu zittern vor diesem Befehl. Doch du erkennst, dass es keine Bedrohung darstellt, dann wirst du ruhig. Während du dich in einem kraftlosen Zustand befindest, unfähig zu sprechen, kommt dir folgender göttlicher Ausspruch zu Hilfe:
„(…) Der Genuss des Diesseits ist gering. (…)“ (Der edle Koran 4:77)
Die vergänglichen Dinge, die ohnehin bereits aus deinem Herzen verschwunden waren, verlieren nun noch weiter an Bedeutung, bis sie ganz aus dir verschwinden, samt Wurzel.
Du gehörst nun nicht mehr den vergänglichen Dingen dieser Welt an, sondern den jenseitigen, den erhabenen Wirklichkeiten. Während du kein deutliches Zeichen dafür siehst, und somit in Traurigkeit verfällst, erreicht dich erneut die Sprache der göttlichen Gnade und öffnet dir das Herz:
„(…) Und das Jenseits ist besser für jemanden, der gottesfürchtig ist. (…)“ (Der edle Koran 4:77)
Hierdurch erkennst du, dass nachdem du die vergänglichen Dinge aus deinem Herzen verbannt hast, womit es stattdessen erfüllt wird.
Dieses Ereignis geschieht nicht durch bloße Worte, es ist eine eigene Wahrheit. Dass die Welt aus dem Herzen weicht und das Jenseits an ihre Stelle tritt, ist kein äußerlich sichtbarer Vorgang wie alltägliche Veränderungen. Es ist ein Zustand (ein Zustand des Herzens). Dieser Zustand zeigt sich nach außen höchstens in bestimmten Anzeichen.
Während du nach diesen Zeichen suchst, stößt du auf jenen rettenden Vers:
„(…) Und das Jenseits ist besser für jemanden, der gottesfürchtig ist. (…)“ (Der edle Koran 4:77)
Du sagst dir: „Jene, die das Diesseits geringachten und das Jenseits für größer und besser halten, sind also die wahrhaft Gottesfürchtigen.“ Somit hast du den inneren Kern der Wahrheit erkannt. Die Liebe zur Welt wirfst du für immer und ewig aus deinem Herzen hinaus und ersetzt sie durch die Liebe zum Jenseits. Und um diese Liebe zu bewahren, stellst du die Gottesfurcht (Taqwā) als Wächter an die Tür deines Herzens. Dann beginnst du zu flehen: „O mein Herr, trenne mich nicht von der Gottesfurcht und lass nicht zu, dass weltliche Gier in meinem Herz eindringt“. Von da an achtest du beständig auf einen Lebenszustand in Taqwā. Je mehr du siehst, dass der Zustand der Taqwā in dir anhält, desto gewisser wird dir, dein Gebet ist erhört worden. Und du freust dich.
Du weißt: Auf die Bittgebete erfolgt gewiss eine Antwort. Doch diese Antwort geschieht nicht bei jedem auf die gleiche, erkennbare Weise. Nur jene, die ihr Inneres gereinigt und ihr Wesen der Wahrheit (Hakk) angenähert haben, können verstehen, wie und wann ein Gebet erhört wird. Als Beispiel dafür kannst du auch deinen eigenen Zustand betrachten.
Dann beginnen neue, andere „Winde“ durch dein Inneres zu wehen. Weißt du, aus welcher Richtung?
„(…) Wir sind ihm doch näher als seine Halsschlagader.“ (Der edle Koran 50:16)
Von genau dieser Richtung her weht nun der neue Wind… Und wenn dein Herz diesen Wind spürt, beginnen die Zweige des Herzensbaums sich zu bewegen. Je mehr dieser Wind weht, desto mehr berühren sich die Blätter, und dabei entstehen wohlklingende Töne.
Vielleicht beginnen die Blätter sogar langsam und in sanftem Einklang zu fallen. Dann weißt du: Für dich weht nun der Wind eines Herbstes.
In diesem Zustand beginnt für dich ein Herbst, vermischt mit dem Frühling.
Es ist eine Welt, in der sich der Sommer in deinem Herbst durchdringt und der Herbst in deinem Sommer durchdringt. Es ist ein Garten voller Aufgaben, voller Dienste. Lass dich ja nicht von diesen ablenken und dich von deinem Weg abkommen lassen. Kümmere dich um keines von ihnen:
„(…) Sag: Allah! Sodann lasse sie (…)“ (Der edle Koran 6:91)
In dem Moment, in dem du dies von dir sagen kannst, beginnen die Winde stark zu wehen. Sie reißen dich weg von allem Vergänglichen, lösen dich von der Welt der Dinge.
Dort ist eine andere Welt… Dort gilt ausnahmslos nur der folgende Befehl:
„Rufe neben Allah keinen anderen Gott an. (…)“ (Der edle Koran 28:88)
Dort herrscht weder ein ewiger Frühling noch ein dauerhafter Herbst.
Es ist ein Ort, dessen Atmosphäre sich ständig an die Erscheinungen anpasst. Je nach seiner inneren Reife und Fähigkeit, atmet jeder dort eine andere Luft ein; Manche erleben den Frühling, andere den Herbst… Und manche sogar den Winter. Doch wenn du dein Ego verlierst und dein wahres Selbst findest, wirst du immer den Duft eines Frühlings einatmen.
Glaube ja nicht, dass jeder diese Luft einatmen darf. Diese Atmosphäre ist ausschließlich für:
„(…) diejenigen, an die von Uns (das Versprechen für) die beste Behandlung vorausgegangen ist, sie werden von ihr (Hölle) ferngehalten.“ (Der edle Koran 21:101),
bestimmt. Die Auslegung dieses Verses betrifft jene Personen, deren Identität verborgen bleibt.
Zugleich ist dieser edle Vers eine frohe Botschaft für jene, die sich selbst erkannt haben.
Glaube ja nicht, du müsstest dich sorgen und dich fragen: „Habe ich überhaupt das Potenzial dazu oder nicht?“ Verlier dich nicht in unnötigen und nutzlosen Wegen. Prüfe dich sogleich selbst; Wenn du beständig auf dem wahren Weg (Hakk) gehst, dann hast du das Potenzial. Wenn du es nicht hättest, würdest du weder danach suchen noch überhaupt diese Frage stellen.
Sobald du erkannt hast, dass du dieses Potenzial in dir trägst, lerne zu warten. Wenn du in jenem erwarteten Zustand von einem göttlichen und heiligen Regen der Barmherzigkeit getroffen wirst, dann wehe dir, zu ermüden oder abzuhauen. Selbst wenn du völlig durchnässt wirst und sich um dich herum alles in einen See verwandelt, lauf nicht davon… Bleib stehen und warte… Denn Er ist es, der, wann Er will, bestimmt:
„(…) Allah erwählt dazu, wen Er will, und leitet dazu, wer sich (Ihm) reuig zuwendet.“ (Der edle Koran 42:13)
Behalte auch eines im Sinn; Bevor Er erwählt, prüft Er. So wisse also, dass dein Warten dort für eine Prüfung bestimmt ist. Wenn du diese Probe bestehst, wird dich die göttliche Macht wie eine Wolke umhüllen und dich mit sich ziehen, hinauf in die Ferne... Weit über alle Grenzen hinaus... Bis jenseits des Jenseits.
Denk einmal über die Schönheit der Welt nach, in der du dich gerade befindest; Frühling... Segensreiche Wolken... Und schließlich der Regen der Tugend... All das geschieht in deinem Inneren, und es geschieht deinetwegen. Weißt du, wo sich all das abspielt? Wenn wir sagen: „In deinem Herzen“, so wundere dich nicht. Denn du bist im Grunde nichts anderes als dein Herz. Wenn du das Wort „Herz“ hörst, verbinde es ja nicht mit dem Stück Fleisch in deiner Brust in Verbindung, das dein körperliches Leben am Laufen hält... Das Herz, von dem wir sprechen, ist ein anderes. Wenn die Zeit kommt, werden wir auch darüber ausführlich sprechen. Das Herz, von dem wir hier sprechen, ist das Herz, das dich zum Menschen macht… Es ist das Herz, das dich zum „Adem“ macht.
Das Herz hat ein weites Feld. Sein Boden, also seine Erde ist fruchtbar.
Dieses Herz, das vom Regen der Tugend aus segensreichen Wolken genährt wird, gibt dir die Nahrung des Wissens. Nämlich das unmittelbare, innere Wissen (ledunn Ilim). Vom Wissen des Propheten Chidr (Hizir)... Wenn Allah, der mächtige, über ihn spricht, heißt es:
„(…) dem Wir Wissen von Uns her gelehrt hatten.“ (Der edle Koran 18:65)
Nun hast du deine wahre Verfassung gefunden... Die Bäume beginnen zu grünen und Zweige auszutreiben... Die Früchte, die daraus entstehen, bleiben nicht nur in dir verborgen. Denn du kannst nicht geizig sein... Du gehörst nämlich zu jenen, über die Allah sagt:
„(…) Gewiss, die Barmherzigkeit Allahs ist den Gutes Tuenden nahe.“ (Der edle Koran 7:56)
Gemäß dem Vers gehörst du in den Reihen der Muhsinīn, denjenigen, die Gutes tun.
Nachdem du diese Zustände erlebt hast, erkenne dich in einer Welt voller Geheimnisse. Dort gibt es endlose Täler und fließende Bäche. Die Quellen der Vereinigung fließen dort süß und reichlich. Weil du dich in dieser Welt befindest, denke ja nicht „Ich kann ja jederzeit trinken.“ Dies ist:
„Eine Quelle, aus der die (Allah) Nahegestellten trinken.“ (Der edle Koran 83:28),
andere können nicht daraus trinken. Wenn auch du trinken möchtest, strebe danach, zu den Nahegestellten (Allahs) zu gehören.
Um die beschriebenen Zustände zu erreichen, müssen einige Tränen vergossen werden. Es erfordert Flehen und Bitten. Für begangene Fehler ist das Bitten um Vergebung (Istighfar) eine Grundvoraussetzung, das muss man wissen. All dies ist eine göttliche Gabe. Um dieser Gabe würdig zu sein, gibt es keinen anderen Weg, als das Herz mit Tränen zu reinigen.
Vertraue ja nicht deinen Gebeten und deinem Gehorsam. Denn:
„(…) Das ist Allahs Huld, die Er gewährt, wem Er will. (…)“ (Der edle Koran 5:54)
Wer die leere Behauptung stellt; „Ich habe es verdient, es ist ungerecht, wenn ich es nicht bekomme“, liegt falsch und wird abgewiesen. Sollte solch eine Denkweise vertreten werden, werden sie sofort hinausgewiesen. Allah bewahre davor. Welch eine frohe Botschaft an jene, die Allahs Gnade erreicht haben. Ihr Zustand soll gesegnet sein… Ihnen wird nämlich gesagt:
„(…) Fürchtet euch nicht, seid nicht traurig, und vernehmt die frohe Botschaft vom (Paradies)garten, der euch stets versprochen wurde.“ (Der edle Koran 41:30)
Die Vergangenheit ist nun vorbei. Und die Zukunft wird besser sein als deine jetzigen Zustände. Wie kann es denn nicht besser werden?
„(…) Allah hat Wohlgefallen an ihnen, und sie haben Wohlgefallen an Ihm. (…)“ (Der edle Koran 5:119)
Diese Gaben werden noch in dieser Welt erworben. So lasst uns zu Allah flehen, bis auch uns diese zuteilwerden. O Allah, so lasse uns auch zuteilwerden.
Amin!
- Maktûbât -
Abd Al-Qādir Al-Jīlānī
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