WARUM DIE BESCHÄFTIGUNG MIT DER KALAM-WISSENSCHAFT DEM EINFACHEN BÜRGER UNTERSAGT WERDEN MUSS!

13-09-2023

Warum die Beschäftigung mit der Kalam-Wissenschaft dem einfachen Bürger untersagt werden muss

Wenn jemand folgendes sagt:

»Wird der einfache Bürger daran gehindert, nachzuforschen und tiefgründig nachzudenken, ist es für ihn nicht möglich, den Beweis (für seinen Glauben) zu wissen. Wer den Beweis nicht kennt, ist unwissend bezüglich dessen, was der Beweis zeigt. Doch Allah (swt) hat all seinen Dienern befohlen, Ihn zu kennen, das bedeutet:

1) An Allah (swt) zu glauben und seine Existenz zu bestätigen

2) Ihn über die Eigenschaften all dessen, was im Nachhinein entstanden ist und über den Vergleich mit dem Erschaffenen für erhaben zu erklären

3) Ihn für einzig zu erklären

4) Seine Eigenschaften wie Wissen, Macht und alle anderen Eigenschaften, die mit dem Verstand erkannt werden können, zu wissen sowie dass das geschieht, was Er will.

Ohne nachzuforschen kann man diese vier Punkte nicht wissen. Um sie zu lernen, muss unbedingt Mühe aufgebracht werden. Demzufolge ist es erforderlich, zu forschen, zu betrachten und nachzudenken, um etwas lernen zu können.

Um sich Wissen egal welcher Art anzueignen, braucht es viele Beweise. Diese Beweise müssen betrachtet und im Bezug auf das untersucht werden, was sie beweisen. Dies muss detailliert erforscht werden und ebenso muss untersucht werden, ob der Beweis lediglich auf das hindeutet, worauf man hinaus will oder ob es offenkundig aus ihm hervorgeht.

All das ist nur möglich mit der Kenntnis über die Bedingungen der Beweise und über die Vorgehensweise zum Entnehmen von Wissen aus diesen. D.h. der Kenntnis über die Methode zum Aufstellen von Grundlagen sowie zum Ableiten von Urteilen basie- rend auf diesen. Diese Kenntnis erlangt man allmählich, bis man beim Nachforschen über die Beweise ein bestimmtes Niveau er- reicht hat, und dies ist die Thematik der Kalam-Wissenschaft. Und durch Lernen dieser Wissenschaft sowie ihre Anwendung erreicht der Mensch die höchsten Erkenntnisse, zu denen der Verstand fähig ist.

In gleicher Weise ist es für den einfachen Bürger Pflicht, den Gesandten Allahs (saws) in allem zu bestätigen, was er gebracht hat. Dass der Gesandte Allahs (saws) in seinen Worten wahrhaftig ist, ist keine Kenntnis, die man ohne Nachforschen und Mühe erlangen kann. Denn er ist ein Mensch wie andere Menschen auch und um ihn von falschen Propheten unterscheiden zu können, ist unbedingt ein Beweis erforderlich. Diese Unterscheidung ist nur dann möglich, wenn man sich die Wunder anschaut, durch diese Wunder die wahren Propheten erkennt und die weiteren Bedingungen der Prophetenschaft kennt. Und dies ist das Wesentliche der Kalam-Wissenschaft.«

Darauf kann man wie folgt antworten:

Jeder mündige Mensch ist dazu verpflichtet, an die oben aufgezählten vier Punkte zu glauben. Der Glaube jedoch ist die feste Bestätigung, die kein Zweifeln oder Zögern beinhaltet. Wer diesen Glauben besitzt, würde niemals in Betracht ziehen, dass das, woran er glaubt, fehlerhaft ist.

Diese feste Bestätigung erfolgt in sechs Stufen:

1. Stufe: Dies ist die höchste Stufe der festen Bestätigung. Diese erlangt man durch Beweise, die alles umfassen, was mit dem betreffenden Thema zu tun hat und keine Zweifel oder Wahrscheinlichkeiten zulassen. Die Bedingungen für ihre Gültigkeit sind erfüllt und sie haben direkt mit dem jeweiligen Thema zu tun. Jegliche Art von Einleitung, Fortschritt und Resultat zu dem Thema ist bekannt und man besitzt umfassendes Wissen über sie, sowie über jeden Schritt, der zu dieser Bestätigung führt. Und dies ist das höchste erreichbare Ziel. In einer ganzen Epoche erreichen nur ein oder zwei oder gar niemand diese Stufe. Würde sich die Errettung vor der Hölle auf Leute beschränken, die diese Stufe der Bestätigung erreicht haben, wäre die Errettung gering und die Erretteten wenig.

2. Stufe: Die Bestätigung basierend auf Beweisen, die mit geringer Wahrscheinlichkeit authentisch sind, sowie auf Beweisen der Kalam-Gelehrten, die einen dazu bringen, jene unter den Gelehrten bekannten Ansichten für richtig zu halten, deren Ablehnung getadelt wird und denen man sich weder widersetzen noch über sie diskutieren möchte. Derartige Beweise führen zur zweifellosen Bestätigung mancher Themen und Personen, bezüglich derer eine gegenteilige Ansicht nicht für möglich gehalten werden kann.

3. Stufe: Die Bestätigung durch rhetorische Beweise. Damit ist die Überzeugungskraft mancher Menschen gemeint, die sie in Gesprächen oder Diskussionen anwenden. Diese Beweise führen die meisten zu einer festen Bestätigung, da sie einer bereits vor- handenen eigenen Auffassung oder einem Verständnis entspre- chen. Ausgenommen sind jene, die erfüllt sind von sturem Behar- ren auf ihrer Meinung oder jene, die Überzeugungen annehmen, die im Widerspruch zu den Beweisen stehen, oder die gewohnt sind, sich allem zu widersetzen und dazu geneigt, bezüglich des Glaubens zu diskutieren, nur um sich groß aufzuspielen.

Die meisten Beweise im Koran sind von dieser Art (es sind Beweise, die den Verstand und die reine Veranlagung ansprechen). Folgende Aussage beispielsweise führt zur sofortigen Bestätigung:

»In einem Haus mit zwei Oberhäuptern kann es keine Ordnung geben.«

Genauso wie die Ayah al-Anbiya: 22.

»Gäbe es in den beiden (im Himmel und auf Erden) andere wahre Götter außer Allah, dann würden sie beide in Chaos stür- zen und vernichtet werden.«

Jedes Herz, das sich fest auf der reinen Veranlagung befindet und davon fern ist, sich wie die Streitsüchtigen aufzuspielen, wird, sobald es diesen Beweis hört, sofort verstehen, dass man die Einzigkeit des Schöpfers (in Seinem Wesen, Seinen Eigenschaften, Seinen Taten, Seinen Rechten und Seinen Befugnissen) bestätigen muss.

Behauptet jedoch jemand, der zu Unrecht streitet: »Wieso sollte es nicht zwei Götter geben, die sich absprechen und gemeinsam die Welt ordnen und leiten?« Allein diese Aussage würde bei ihm bereits zu Verwirrung hinsichtlich seiner Bestätigung führen. Und bei einigen mit geringem Verständnis würde dies Zweifel wecken, die sie selbst unmöglich beseitigen können.

Ein weiterer offenkundiger und logischer Beweis, den der reine Verstand akzeptiert, ist der folgende:

»Derjenige, der die Macht dazu besitzt, aus dem Nichts zu erschaffen, besitzt selbstverständlich auch die Macht dazu, etwas, das existierte, erneut zu erschaffen, nachdem es aufgehört hat zu existieren.«

So wie Allah (swt) in Sure Yasin: 79 sagt:

»O Mein Gesandter, antworte ihm wie folgt: ›Der, der diese morschen Knochen zum ersten Mal erschaffen hat, wird ihnen natürlich erneut Leben geben.‹«

Jeder einfache Bürger, ob intelligent oder dumm, der diesen offenkundigen Beweis hört, würde dies sofort bestätigen und sagen: »Ja, es stimmt. Etwas zu erschaffen, das existierte, ist nicht schwerer als etwas zu erschaffen, das noch nicht existierte. Im Gegenteil, es ist sogar leichter.« Jedoch könnte man auch ihn mit einer einzigen Frage verwirren und die Antwort auf diese Frage zu verstehen fiele ihm schwer.

4. Stufe: Die Bestätigung, die dadurch entsteht, dass man von jemandem etwas hört, über den man wegen seines positiven An- sehens im Volk eine gute Meinung hat. Hört man von jemandem, über den man eine gute Meinung hat, wie dem eigenen Vater, dem Lehrer oder einer berühmten und tugendhaften Person, dass jemand gestorben oder aus dem Ausland zurückgekehrt ist oder hört man irgendetwas anderes von ihm, so entsteht im Herzen eine feste Bestätigung dessen, was man gehört hat und Gegenteiliges wird nicht mehr für möglich gehalten. Das Einzige, worauf man sich für diese Bestätigung stützt, ist die auf Erfahrung beruhende Tatsache, dass der Überbringer der Nachricht in seinen Worten wahrhaftig ist und sich vor zweifelhaften und verbotenen Dingen fernhält sowie die Befehle Allahs ausführt.

Sagt beispielsweise Abu Bakr as-Siddiq (ra): »Der Gesandte Allahs (saws) sagte folgendes...«, so akzeptieren unzählige Men- schen diese Aussage mit einer festen Bestätigung als wahr, ohne sie zu hinterfragen. Das Einzige, worauf sich diese Akzeptanz und Bestätigung stützen, ist ihre gute Meinung über Abu Bakr (ra).

Sagt solch jemand einem einfachen Bürger bezüglich des Glaubens: »Der Schöpfer dieses Universums ist einzig, Er weiß alles und Er hat Macht über alles. Er hat Muhammad (saws) als Gesandten geschickt.«, so wird der einfache Bürger seine Aussage, ohne jeglichen Zweifel oder Zögern hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes, sofort bestätigen.

Die gute Meinung von Kindern über ihre Väter und Lehrer ist ebenfalls von dieser Art. Hören sie von diesen etwas über den Glauben, bestätigen sie es sofort, ohne einen Beweis oder eine Aufklärung zu benötigen und wachsen mit dieser Bestätigung auf.

5. Stufe: Die Bestätigung, die im Herzen entsteht, wenn man etwas im Zusammenhang mit vorliegenden Indizien und Zuständen hört. Diese Indizien und Zustände führen dazu, dass im Herzen des einfachen Bürgers ein eindeutiger Glaube entsteht, während selbige für jemanden, der der Sache nachgeht, überhaupt keine Eindeutigkeit aussagen.

Hört der einfache Bürger beispielsweise von einer großen Anzahl von Leuten, dass der Dorfälteste krank ist und vernimmt dar- aufhin aus dessen Haus Schreie und hört hierauf von einem sei- ner Kinder, dass er gestorben ist, so glaubt er fest daran und agiert dementsprechend. Möglicherweise kommt ihm gar nicht in den Sinn, das Kind könne dies aus Angst gesagt oder etwas missver- standen haben oder dass die Schreie von einem Ohnmachtsanfall des Dorfältesten bzw. der Verschlimmerung seiner Krankheit oder anderen Gründen herrührten. Weil ihm diese Details nicht in den Sinn kommen, können die oben genannten Indizien zu einem festen Glauben in seinem Herzen führen.
 

Viele Beduinen glaubten dem Gesandten Allahs (saws) und bestätigten seine Worte aufgrund der Schönheit seines Ange- sichts sowie seiner angenehmen Rede, seines feinfühligen Umgangs und seines Charakters, ohne dass sie einen Beweis oder ein Wunder verlangten, welches zeigte, dass er von Allah (swt) gesandt wurde.

6. Stufe: Die Bestätigung von etwas, weil es der eigenen Wesensart und dem eigenen Charakter entspricht. Zu dieser Bestätigung führt nicht die gute Meinung über eine Person oder ein Indiz, das man bezeugt, sondern die Tatsache, dass es der eigenen Wesensart entspricht.

Wünscht sich jemand beispielsweise, dass sein Feind stirbt, getötet oder entlassen wird und hört auch nur das kleinste Gerücht diesbezüglich, würde er dies sofort bestätigen und an diesem Glauben festhalten. Erreicht ihn dieselbe Nachricht jedoch über einen seiner Freunde oder über etwas, das seiner Lust und Laune widerspricht, so bestätigt er dies nicht sofort, sondern zögert und lehnt es vielleicht sogar ganz ab.

Von den erwähnten sechs Stufen der Bestätigung ist diese die schwächste und vom untersten Niveau. Denn die zuvor Genann- ten basierten auf einem Indiz, der guten Meinung über eine Person oder einem ähnlichen Beweis, auch wenn einige davon schwach sein sollten. Dies sind Anzeichen, die der einfache Bür- ger als Beweise sieht und die ihn so beeinflussen wie eindeutige Beweise.

Nachdem man diese Stufen der eindeutigen Bestätigung gelernt hat, sollte man wissen, dass der Glaube des einfachen Bürgers auf dem basiert, was in diesen Stufen erwähnt wird. Das Höchste hiervon sind die Beweise aus dem Koran sowie andere Beweise, die wie der Koran zu einer Bestätigung im Herzen führen. Daher ist es nicht richtig, ihm etwas anderes zu geben als Beweise aus dem Koran, die das Herz beruhigen und ohne Hinder- nisse zur Bestätigung führen, sowie andere offene Beweise, die hinsichtlich ihres Einflusses wie der Koran sind. Alles, was dar- über hinaus geht, würde die Kraft des einfachen Bürgers übersteigen.

Die meisten Menschen nehmen ihren Glauben als Kind an, wobei der Grund für ihre Bestätigung die Nachahmung ihrer Väter und Lehrer ist, weil sie über diese eine gute Meinung haben. Dass ihre Väter und Lehrer sich selbst oft rühmen oder von ande- ren gerühmt werden, vor den Augen ihrer Kinder sich jenen streng entgegenstellen, die ihnen widersprechen, verschiedene Geschichten darüber erzählen, was mit denen passierte, die an- ders glaubten als sie, wie z.B. »jener Jude wurde in seinem Grab in einen Hund verwandelt« oder »jener Rafidi wurde in ein Schwein verwandelt« und ähnliche Geschichten, Aussagen oder Träume; so führt all dies bei den Kindern zur Abscheu gegenüber dem, was von ihren Vätern und Lehrern als Schlecht beschrieben wird und zu einer Zuneigung gegenüber dem Gegenteil. Schließlich entsteht in ihren Herzen eine feste Überzeugung bezüglich des von ihnen verlangten Glaubens, die frei von jeglichen Zweifeln ist.

Etwas, das in der Kindheit gelernt wird, ist wie in Stein gemeißelt. Das Kind wächst auf dem Glauben, den es gelernt hat, auf und dieser festigt sich in ihm zu einem zweifellosen Glauben. Wenn er schließlich die Pubertät erreicht, bleibt er weiterhin auf diesem festen Glauben und der festen Bestätigung, die er als Kind erlangt hat, ohne dass irgendwelche Zweifel bleiben. Daher siehst du auch wie die Kinder der Christen, Rafidi, Madschusi und Muslime die Pubertät auf dem Glauben ihrer Väter erreichen, wobei ihr Glaube, sei dieser richtig oder falsch, so fest ist, dass sie selbst dann nicht davon abkommen würden, wenn man sie zerstückelt. Hierbei benötigen sie keinen einzigen Beweis, ob gültig oder ungültig, über den Wahrheitsgehalt ihres Glaubens.

So verhält es sich auch mit Sklaven und Sklavinnen von den Muschrikin, die in den Besitz der Muslime gelangen und den Is- lam nicht kennen. Wenn sie eine gewisse Zeit als Gefangene der Muslime mit ihnen zusammenleben und sehen, wie die Muslime dem Islam geneigt sind, entwickeln sie selbst eine Neigung für den Islam, beginnen so zu glauben wie die Muslime und machen sich den Charakter der Muslime zu eigen. All das geschieht, weil sie die Muslime nachahmen und ihnen ähneln. Die Wesensart des Menschen, insbesondere der Kinder und Jugendlichen, ist dazu geneigt, anderen zu ähneln und sie nachzuahmen. Dies zeigt, dass die eindeutige Bestätigung auch ohne Nachforschung und Beweis entstehen kann.


5. Thema:
Was der einfache Bürger besser tun sollte

Du könntest folgendes sagen:

»Ich bestreite nicht, dass im Herzen des einfachen Bürgers ba- sierend auf den genannten Gründen eine feste Bestätigung ent- stehen kann. Eine derartige Bestätigung hat jedoch nichts mit Er- kenntnis zu tun. Ohne Zweifel sind die Menschen dazu verpflich- tet, in wahrer Bedeutung zu wissen und nicht einen Glauben zu besitzen, der insofern eine Art der Unwissenheit darstellt, als dass man nicht zwischen Wahrheit und Falschheit unterscheiden kann.«
 

Die Antwort darauf lautet wie folgt:

Die Ansicht, dass das, was von einer mündigen Person verlangt wird, wirkliches Wissen sei und nicht nur eine Bestätigung, ist nicht richtig. Die Glückseligkeit eines Geschöpfes besteht darin, an die Wahrheit so zu glauben, wie sie ist. Glaubt der Mensch an die Wahrheit so, wie sie ist, dann wird diese Wahrheit, an die er glauben muss, in seinem Herz zu einem Abbild gemeißelt. Wenn er stirbt und die Wahrheit, an die er im Diesseits geglaubt hat, of- fen sieht, wird er keine Beschwerlichkeiten erleiden und nicht in einem Höllenfeuer brennen, das ihn in Schande fallen lässt.

Ist das Abbild der Wahrheit ins Herz gemeißelt, so schaut man nicht auf den Grund hierfür. Der Grund für die Akzeptanz dieser Wahrheit kann ein wirklicher Beweis sein, oder etwas, das wie ein Beweis aussieht. Ebenso kann es die Überzeugungskraft oder Vertrauenswürdigkeit eines Menschen sein, die einen dazu verlei- tet, diese Wahrheit anzunehmen oder diese Akzeptanz erfolgt oh- ne jeglichen Grund, nur durch Nachahmung. Die Art und Weise, wie die Wahrheit ins Herz eingemeißelt wird, ist nicht von Be- deutung. Vielmehr ist es wichtig, dass sich die Wahrheit, an die man glauben muss, im Herzen befindet, so wie sie ist.

Wer an Allah (swt), Seine Eigenschaften, Seine Bücher, Seine Gesandten und an den Tag der Abrechnung so glaubt, wie es der Wahrheit entspricht, der ist glücklich, auch wenn sein Glaube nicht auf einem Beweis der Kalam-Wissenschaft gründet. Allah (swt) hat seine Diener nicht zu etwas anderem verpflichtet außer dem, d.h. an die Wahrheit fest und so wie sie ist zu glauben.

Wir wissen eindeutig mit Mutawatir-Nachrichten über den Gesandten Allahs (saws), dass wenn die Beduinen zu ihm kamen, er (saws) ihnen den Iman erklärt hat, woraufhin sie den Iman akzeptierten und danach wieder zu ihren Kamelen und Schafen zurückkehrten, um diese weiter zu hüten. Zu keiner Zeit wurde ihnen auferlegt, über die Wunder nachzudenken, die die Wahrhaf- tigkeit des Gesandten Allahs (saws) beweisen. Ebenso wenig wurden sie dazu verpflichtet nachzuweisen, dass das Universum im Nachhinein entstanden ist oder dass der Schöpfer dieses Uni- versums existiert, und es wurde nicht von ihnen verlangt, über die Beweise bezüglich der Einzigkeit Allahs oder über andere Seiner Eigenschaften nachzudenken. Wäre dies von ihnen verlangt wor- den, hätten jene Araber, die nicht kultiviert und intelligent waren, es nicht verstanden. Selbst wenn man es ihnen in aller Ausführ- lichkeit erzählt hätte, hätten sie es nicht begriffen.

Einige von ihnen ließen den Gesandten Allahs (saws) sogar schwören, indem sie ihn fragten, ob Allah (swt) ihn als Gesand- ten geschickt hat und der Gesandte Allahs (saws) antwortete ihnen: »Bei Allah! Allah hat mich als Gesandten geschickt.« Aufgrund seines Schwurs bestätigten sie ihn und gingen fort. Als ein anderer zum Gesandten Allahs (saws) kam und ihn sah, sagte er: »Dieses Gesicht ist nicht das eines Lügners« und bestätigte ihn auf der Stelle. Es existieren unzählige Beispiele dieser Art.

Auch in der Zeit des Gesandten Allahs (saws) und in der Zeit der Sahaba traten bei einem einzigen Kriegszug tausende Men- schen zum Islam über, wobei die meisten von ihnen die Beweise der Kalam-Wissenschaft nicht verstanden. Denn um diese zu ver- stehen, müssten sie ihre Arbeit niederlegen und eine lange Zeit in Gesellschaft eines Muslims leben. Etwas derartiges wurde jedoch nicht überliefert. Hieraus folgt das Wissen, welches keines Nach- forschens oder Lernens bedarf, dass Allah (swt) die Menschen nur dazu verpflichtet hat, an das zu glauben und das zu bestäti- gen, was der Gesandte Allahs (saws) gesagt hat, ganz gleich auf welche Weise sie zu diesem Glauben und dieser Bestätigung kommen.

Es ist eine unleugbare Tatsache, dass derjenige, der die Bewei- se kennt und dazu imstande ist, daraus Urteile abzuleiten, vom Niveau her über demjenigen steht, der lediglich nachahmt. Je- doch ist derjenige, der bezüglich der Wahrheit bloß nachahmt, ebenso ein Mumin wie jener, der die Beweise kennt.

 

Wenn du fragst:

»Wie unterscheidet sich der muslimische Muqallid vom jüdischen?«, so antworten wir darauf wie folgt:

Der Muqallid ist sich seines Taqlids nicht bewusst und ebenso wenig der Tatsache, dass er selbst ein Muqallid ist. Im Gegenteil, er glaubt, dass er die Wahrheit im Herzen bewusst bestätigt und zweifelt niemals daran. Weil er fest daran glaubt, dass er selbst sich auf der Wahrheit befindet, der Jude hingegen auf der Falschheit, braucht er sich nicht von dem Juden zu unterscheiden. Er unterscheidet sich ohnehin vom Juden durch einige sichtbare Hinweise und Beweise, auch wenn diese nicht stark sein mögen, und betrachtet sich selbst als jemanden, der auf der Wahrheit schreitet. Dass der jüdische Muqallid sich selbst, ebenso wie der muslimische, als jemand betrachtet, der auf der Wahrheit ist, schadet folglich dem Glauben des muslimischen Muqallid nicht.

Ebenso unterscheidet sich der Muslim, der die Beweise kennt, basierend auf diesen Beweisen von dem Juden. Sollte ein Jude, der in der Kalam-Wissenschaft bewandert ist und sich die Beweise anschaut, zu ihm sagen: »Ich befinde mich auf der Wahrheit und habe hierfür Beweise«, würde er den Muslim niemals in Zweifel bringen. So wie der Jude, der behauptet, basierend auf Beweisen auf der Wahrheit zu schreiten, niemals einen Muslim in Zweifel bringen kann, der weiß, dass er auf der Wahrheit ist, so wird auch der muslimische Muqallid, der fest an die Wahrheit glaubt, niemals an seinem Glauben zweifeln. Für den muslimischen Muqallid ist es, was seinen Glauben betrifft, ausreichend diesbezüglich nicht in Zweifel zu fallen und sich den Worten je- ner zu widersetzen, die sich auf der Falschheit befinden.

Hast du je einen einfachen Bürger, der in wahrer Bedeutung glaubt, von Gram, Trauer und Sorge erfüllt gesehen, weil er seinen Taqlid nicht von dem eines Juden unterscheiden kann? Dies käme ihm gar nicht erst in den Sinn und falls doch oder falls jemand ihm so etwas sagen sollte, würde der einfache Bürger über ihn lachen und sagen:

»Welch Unsinn. Sind etwa Wahrheit und Falschheit gleich, sodass wir etwas bräuchten, das uns von der Falschheit unter- scheidet? Es ist offensichtlich, dass er auf der Falschheit ist. Ich hingegen befinde mich auf der Wahrheit und mein Glaube daran ist fest und ohne jeglichen Zweifel. Aus welchem Grund sollte ich nach etwas verlangen, das zwischen mir und ihm unterscheidet, wo doch der Unterschied zwischen uns offenkundig ist?«

Dies ist der Zustand eines Muqallid, dessen Glaube fest und frei von Zweifeln ist. Wie sollte ein muslimischer Muqallid an seinem Glauben zweifeln, wo doch ein jüdischer Muqallid, der glaubt, dass seine Religion die wahre ist und dass er sich auf der Wahrheit befindet, hieran keinen Zweifel hegt, obwohl er sich auf der Falschheit befindet? Dies zeigt offenkundig, dass der Glaube des Muqallid fest ist und dass die Scharia ihn nur dazu verpflichtet hat.

Stellt jemand folgende Frage:

»Nehmen wir an, es gibt einen streitsüchtigen und sturen ein- fachen Bürger, der zwar kein Muqallid ist, sich jedoch auch nicht mit Beweisen aus dem Qur‘an und mit offenkundigen Aussagen überzeugen lässt, die zwischen Wahrheit und Falschheit unter- scheiden. Wie geht man gegen ihn vor?«

Dann antworten wir darauf wie folgt:

Dieser einfache Bürger ist krank. Seine Natur ist von der eigentlichen reinen und gesunden Schöpfung abgewichen. Wir betrachten seinen Zustand und wenn wir sehen, dass Sturheit und Streitsucht seine Natur beherrschen, diskutieren wir nicht mit ihm. Leugnet er eine von den Grundlagen des Iman, so beseitigen wir ihn. Handelt es sich bei ihm jedoch um jemanden, der intelligent ist, der versteht und akzeptiert, falls ihm etwas richtig erklärt wird und nicht aus Gewohnheit heraus streitet, sondern nur um der Wahrheit willen und der die Wahrheit akzeptieren würde, wenn wir tiefer in die Materie eingehen, so geben wir ihm Medizin, so weit wie unsere Kräfte reichen und behandeln ihn mit bitteren Diskussionen und süßen Beweisen. Grundsätzlich versuchen wir mit ihm auf gute Weise zu diskutieren, so wie es Allah (swt) befiehlt.

Dass wir es als erlaubt betrachten, ihm eine bestimmte Menge an Medizin zu geben, d.h. für die Behandlung tiefer in die Materie einzugehen, bedeutet nicht, dass die Tür der Kalam-Wissenschaft sich jedem öffnet. Denn die Medizin wird nur Kranken gegeben und deren Anzahl ist im Gegensatz zu den Gesunden gering. Die Medizin, die notwendigerweise einem Kranken gegeben wird, gibt man nicht einem Gesunden.

Die eigentliche gesunde Veranlagung ist dazu bereit, den Iman anzunehmen, noch bevor man beginnt, mit der jeweiligen Person zu diskutieren und sie über die wahre Bedeutung der Beweise aufzuklären. Der Schaden, der dadurch entsteht, dass man einem Gesunden Medizin verabreicht, ist nicht weniger als der Schaden der entsteht, wenn man selbige dem Kranken vorenthält. So wie Allah (swt) es Seinem Gesandten (saws) befiehlt, soll alles an sei- nen rechten Platz gestellt werden.

Allah (swt) sagt:

»O Mein Gesandter! Rufe die Menschen zum Weg deines Herrn (zum Islam) mit Weisheit (mit weisen, offenkundigen Worten, die jegliche Zweifel aufheben) und guten Ermahnungen (mit Einfluss übenden Worten und überzeugenden Beweisen, die dem gesunden Verstand und der richtigen Logik gefallen). Und diskutiere mit ihnen auf vollkommene und überzeugende Weise. Gewiss weiß dein Herr sehr genau, wer von Seinem rechten Weg (dem Islam) irregeht und wer auf dem rechten Weg schreitet.«101

Jene, die mit Weisheit zur Wahrheit eingeladen werden, sind ein Volk und jene die mit schöner Ermahnung eingeladen wer- den, ein anderes und jene, die mit guten Diskussionen eingeladen werden, ein weiteres. Diese Methoden haben wir im Buch »Qistasu‘l Mustaqim« erklärt und wir wiederholen es nicht, um die Rede nicht unnötig in die Länge zu ziehen.


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