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27.09.2025 101

DER SUFISMUS - FURKAN BIN ABDULLAH

DER SUFISMUS - FURKAN BIN ABDULLAH

DER SUFISMUS 

Der Sufismus ist keine vom Islam losgelöste Erscheinung, sondern tief in seiner Wurzel verankert. Er ist Ausdruck eines Lebens in Askese (Zuhd)Gottesfurcht (Taqwā) und der Reinigung der Seele (Tazkiyatu’n-Nafs), sowie ein gutes Verhalten (Akhalaq).

Wenn wir daher vom wahren Sufismus reden, sehen wir dieses Wort hauptsächlich als ein Sammelbegriff für diese vier Verhaltensweisen an. Daher ist jede Person, die sich auch dem Tauhid zuschreibt, dieser Lebensart unterstellt. Denn den Tauhid, den islamischen Monotheismus, kann man nur mit einer solchen Hingabe an Allah (SwT) verwirklichen.

Daher ist die Wissenschaft des Sufismus nicht eine Wissenschaft von Gerede, sondern die Wissenschaft eines Zustandes. Man muss diese Wissenschaft ausstrahlen können. Wie eine Kerze die brennt. Sie brennt und schmilzt dabei. Jedoch bringt sie ihre Umgebung dadurch zum erleuchten und beendet die Dunkelheit. So sagt Allah (SwT):

اللَّهُ وَلِيُّ الَّذِينَ آمَنُوا يُخْرِجُهُم مِّنَ الظُّلُمَاتِ إِلَى النُّورِ ۖ وَالَّذِينَ كَفَرُوا أَوْلِيَاؤُهُمُ الطَّاغُوتُ يُخْرِجُونَهُم مِّنَ النُّورِ إِلَى الظُّلُمَاتِ ۗ

„Allah ist der Verbündete der Gläubigen. Er führt sie aus der Dunkelheit ins Licht. Und der Ungläubigen; ihr Verbündeter ist der Taghut. Er führt sie aus dem Licht in die Dunkelheit…“ (Der edle Koran 2:257)

Seinen Ursprung findet er bereits beim Propheten Muhammad ﷺ selbst, der ein Leben in Einfachheit und Entsagung führte. Eines der wichtigsten Eigenschaften eines wahren Sufis ist deshalb auch, dass er ein beispielhaftes Leben führt. Daher sagte der Prophet ﷺ:

إِنَّمَا بُعِثْتُ لِأُتَمِّمَ مَكَارِمَ الْأَخْلَاقِ

„Ich bin nur entsandt worden, um die edlen Charaktereigenschaften (Akhlaq) zu vervollkommnen.“ (Imam Ahmad 8939; Buhari Adabu’l Mufrad 273)

Unteranderem gibt es den berühmten Jibrīl-Hadith, indem der Engel Gabriel zum Propheten ﷺ kam und ihm Fragen stellte. Eines dieser Fragen zum Propheten ﷺ war ebenfalls auf den Sufismus bezogen, welches hier als „ʿIrfān“, der spirituellen Erkenntnis, bezeichnet war. Der Engel Gabriel fragte den Propheten ﷺ: „Was ist ʿIrfān?“ und er antwortete: 

أَنْ تَعْبُدَ اللَّهَ كَأَنَّكَ تَرَاهُ، فَإِنْ لَمْ تَكُنْ تَرَاهُ فَإِنَّهُ يَرَاكَ

„Dass du Allah dienst, als ob du Ihn siehst; denn wenn du Ihn nicht siehst, so sieht Er dich.“ (Sahih Buhari und Muslim)

Die Sufis erklärten: Das ist der Weg zum ʿIrfān, zur Erkenntnis Gottes.

So gab es zur Zeit des Propheten ﷺ die Lebensart des Sufismus, aber nicht seine direkte Definition. Heute jedoch verschwand diese Lebensart, aber dafür kam die Definition.

Damit wird deutlich: Alle Strömungen, darunter auch der Sufismus führen zurück bis in die Zeit des Propheten ﷺ.Erst in den späteren Jahrhunderten bildeten sich eigenständige Institutionen und spirituelle Bruderschaften. Eine überlieferte Weisheit, die auf ʿAlī ibn Abī Ṭālib zurückgeführt wird, fasst dieses Verständnis zusammen: „Das Wissen war ein Punkt, doch die Unwissenden haben es zerteilt.“

Auch viele der Gefährten des Propheten ﷺ wie Abū Dharr al-Ghifārī, ʿUthmān ibn Maʿzūn,  Salmān al-Fārisīoder Abū Hurayra lebten in derselben Hingabe und Weltentsagung solch ein Leben.

Ein besonderer Kreis dieser frühen Zeit waren die Ashab aṣ-Ṣuffa, jene Gefährten, die im Schatten der Prophetenmoschee lebten, sich ganz dem Glauben widmeten und dadurch als erste Keimzelle des späteren Sufismus gelten. Aber auch die Familie des Propheten, die Ahl al-Bayt lebten so ein Leben, sowohl zu seiner Zeit, als auch danach. 

Der Begriff „Sūfī“ selbst wird auf jene zurückgeführt, die grobe Wollkleidung trugen, sich von der Welt zurückzogen und sich einzig dem Islam verschrieben. Daher führen die meisten diesen Begriff vor allem auf die Aṣḥāb aṣ-Ṣuffa zurück. So zogen die meisten der Sūfīs in der Geschichte, aufgrund dieser Nachahmung und Bescheidenheit, die Wollkleidung an. Ebenfalls wird das Wort „Sūfī“ auch auf das Wort „Safā“ zurückgeschrieben, welches von „Sāfi“ kommt und „Reinheit“ bedeutet.

Nach der Zeit des Propheten und der Sahāba setzten herausragende Persönlichkeiten gleich in der zweiten Generation diesen inneren Weg fort. Darunter waren Uways al-QaranīHasan al-BaṣrīʿAbdullāh ibn al-Mubārak, Ibrāhīm ibn Adham, eine Frau wie Rābiʿa al-ʿAdawiyya und viele andere. Auf die darauffolgenden Generationen folgten Imām Zayn al-ʿĀbidīnDhū’n-Nūn al-Miṣrī, unser Rechtsgelehrter Imām Aḥmad ibn ḤanbalBischr al-ḤāfīSufyān ath-ThawrīFuḍayl ibn ʿIyāḍ und viele andere.

In späterer Zeit traten die großen Meister wie Junayd al-BaghdādīBāyazīd al-Bisṭāmī und ʿAbdullah al-Anṣārī al-Ḥarawī hervor. Vor allem ist er für uns eine sehr wichtige Person, da er in der 8. Generation mit Abū Ayyūb al-Anṣārī verwandt war und der hanbalitischen Rechtsschule folgte. Er schrieb ein sehr wichtiges Werk über den wahren Sufismus, welches sich „Manāzil al-Sāʾirīn“ nannte. 300 Jahre später wird Ibn al-Qayyim al-Jawziyya dieses Buch als Basis nehmen und sein berühmtes Werk „Madarij al-Sālikīn“ welches sinngemäß „Die Stufen der Reisenden“ niederschreiben. 

Aber auch Abū Manṣūr al-Iṣfahānī, welcher zu jener Zeit ebenfalls der hanbalitischen Rechtsschule folgte, schrieb sehr wichtige Bücher über den Sufismus.

Schließlich war es Sayyid ʿAbd al-Qādir al-Jīlānī im 6. Jahrhundert nach der Hijra, ein Nachfahre des Propheten ﷺund ebenfalls ein Anhänger der hanbalitischen Rechtsschule, der den Sufismus zu einer klaren Institution formte und mit seiner geistigen Autorität bis heute ganze Generationen prägte. Zu seiner Zeit wurde diese Wissenschaft in einen Orden verwandelt, die sich als „Ṭarīqat al-Qādiriyya“ bezeichnete, welche wir in ihrer Ursprungsform als die beste dieser Wege ansehen. 

Selbst Ibn Qudāma al-Maqdisī, welcher einer der wichtigsten Rechtsgelehrten der hanbalitischen Rechtsschule ist, hatte sich eine bestimmte Zeit an den Sitzungen von ʿAbd al-Qādir al-Jīlānī in Bagdad beteiligt und ihn bewundert.

Aber auch Ibn Taymiyya bewunderte ʿAbd al-Qādir al-Jīlānī für dessen Frömmigkeit und Rechtsbewusstsein und erläuterte eines seiner wichtigsten Bücher wie „Futūḥ al-Ghayb“ welches sinngemäß „Die Öffnungen des Verborgenen“ bedeutet.

So zeigt sich, dass der Sufismus nichts anderes ist, als die lebendige Fortführung des prophetischen Weges, die Pflege der inneren Dimension des Islams, verwurzelt im Koran, in der Sunna und im Beispiel der ersten Generationen.

Daher haben wir uns als „Im Auftrag des Islam“ vorgenommen, diesen „Kreis“ vor Ort weiterzuführen, ohne uns an jene, welche heute behaupten, dieser Silsila zu folgen, zu binden. Dies daher, weil die Mehrheit von ihnen, so wie auch in anderen islamischen Bereichen, leider ihre Authentizität verloren haben. Quasi ein Update das Sufismus nach Koran und Sunna in der heutigen Zeit, indem der Prophet Muhammad ﷺ als absolutes Beispiel dient.

Daher verstehen wir hauptsächlich unter den Sufismus folgendes:

- Nicht unbedingt die Anzahl der Taten vermehren, sondern ihre Qualität erhöhen. 

- Die Seelenreinigung, indem man sein Ego bekämpft.

- Die Gotteserkenntnis zu vertiefen, indem man in den Zustand des Fanā eintritt.

Dieser Vers sollte uns auf diesem Weg immer als Leitfaden dienen:

وَالَّذِينَ جَاهَدُوا فِينَا لَنَهْدِيَنَّهُمْ سُبُلَنَا ۚ وَإِنَّ اللَّهَ لَمَعَ الْمُحْسِنِينَ ‎﴿٦٩﴾‏

Diejenigen aber, die sich um Unsertwillen abmühen, werden Wir ganz gewiss (auf) Unsere Wege leiten. Und Allah ist wahrlich mit den Gutes Tuenden. (Der edle Koran 29:69)

 

Furkan bin Abdullah
Sontra, den 24.03. 1447 / 16.09.2025

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