ÜBER DIE HERKUNFT DES KORAN

21-08-2017

Der Koran ist die Sammlung der Offenbarungen, die einem bis dahin unscheinbaren, wenngleich für seine Integrität bekannten Mekkaner aus guter, allerdings verarmter Familie im Laufe von 23 Jahren durch einen überirdischen Boten (dem Engel Gabriel) übermittelt wurde: Muhammad (s.a.w.). Die erste dieser Offenbarungen erreichte den damals 40jährigen, des Lesens und Schreibens unkundigen Muhammad (s.a.w.) unvermittelt und mit großer Wucht im Monat Ramadhan des Jahres 610, während er sich zu Betrachtungen und Gebet in der Höhle Hira hoch über Mekka zurückgezogen hatte (Sure 96, 1-5).

Muhammad (s.a.w.) war damals ein - wie man heute sagen würde - kaufmännischer Angestellter in der Import-Export-Firma seiner (bedeutend älteren) Frau Khadidscha, mit der er bis zu ihrem Tod (619) in glücklicher, monogamer Ehe zusammenlebte. Seine letzte Offenbarung empfing er kurz vor seinem Tode im Jahre 632 in Medina. Zwischen beiden Daten liegen Ereignisse, welche nicht nur Muhammad (s.a.w.) selbst, sondern die gesamte Welt so stark verändert haben wie nur das Erscheinen von Jesus (a.s.). Obwohl vorher nichts darauf hingedeutet hatte, wurde Muhammad (s.a.w.) unter dem Eindruck der Offenbarungen und mit der Autorität und dem Charisma eines Gesandten Gottes zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der Weltgeschichte. Die über ihn übermittelte Botschaft stellte nicht nur die Glaubenswelt des damaligen Arabien in Frage, sondern auch uralte Sitten und Gebräuche, wie das Gewohnheitsrecht, das die vorislamische Frau rechtlos gemacht und das Töten neugeborener Mädchen sanktioniert hatte.

Die koranische Botschaft hob in der Tat das gesamte soziale, wirtschaftliche und auf Stammessolidarität beruhende Gesellschaftssystem seiner Heimat auf den Prüfstand. Dementsprechend hart reagierten die meisten seiner Zeitgenossen: mit Verspottung und Verleumdung, Boykott und Mordanschlägen - eine so schlimme Verfolgung, dass zahlreiche Muslime im Jahre 615 vorübergehend bis nach Abessinien ausweichen mussten. Schließlich nahm Muhammad (s.a.w.) eine Einladung gläubig gewordener Männer und Frauen aus Yathrib (400 Kilometer nördlich von Mekka) an. Muhammad (s.a.w.) und seine Anhänger konnten jetzt, ab 622, in kleinen Gruppen nach Yathrib emigrieren, das von da an Medina ("die Stadt", nämlich des Propheten) hieß. Mit diesem Schlüsseldatum beginnt die islamische Zeitrechnung. Hier errichtete Muhammad (s.a.w.) einen die muslimischen und jüdischen Stämme der Oasen zusammenfassenden Staatsbund, für den er die erste schriftliche Staatsverfassung der Welt erließ. Dieser Staat war revolutionär, weil er erstmals in der Weltgeschichte die Staatsangehörigkeit nicht an Kriterien wie Sippe, Rasse, Hautfarbe oder Sprache knüpfte, sondern allein an ein religiöses Bekenntnis. Medina war sofern ein ideologischer Staat. Muhammad (s.a.w.) entwickelte als Staatsoberhaupt erstaunliche staatsmännische, diplomatische, richterliche und militärische Fähigkeiten, und dies in einer Situation der strategischen Defensive gegen die Versuche Mekkas, die islamische Gefahr - von der man heute noch spricht - gewaltsam zu beseitigen.

Dabei kam es im Monat Ramadhan 624 bei Badr, südwestlich von Medina, zu einem Scharmützel, das die Welt veränderte, weil es den wenigen Muslimen die Überzeugung verlieh, dass Gott auf ihrer Seite ist. Der Kampf mit Mekka endete schließlich mit einem diplomatischen Coup, dem Waffenstillstand von Hudaybiyya bei Mekka (628), einer vorweggenommenen Kapitulation Mekkas. In der Tat konnten die Muslime im Jahre 630 die Stadt kampflos und mit einer Generalamnestie übernehmen. Und so entstand im westarabischen Hijaz des 7. Jahrhunderts - sozusagen im Windschatten der beiden benachbarten hegemonialen Großreiche, Byzans und Persien - eine vitale Glaubensgemeinschaft, die sich innerhalb weniger Jahrzehnte bis nach Spanien, Persien und Indien erstreckte. Muhammad (s.a.w.), seit 623 mit Aischa (r.a.), einer außerordentlich intelligenten jungen Frau, verheiratet, ging nun noch mehrere, meist dynastische Ehen ein, um das sich ausbreitende islamische Staatswesen und seine Führungseliten untereinander zu festigen.

Der Koran hatte die Gläubigen immer wieder aufgefordert: "Glaubt an Allah und den Gesandten." Diese Autorität bewirkte unter den frühen Muslimen wahre Wunder an Gehorsam und Opferbereitschaft, bis hin zu ihrer einzigartigen Bereitschaft, ihr Leben "für die Sache Allahs" oder "auf dem Wege Allahs" freudig hinzugeben. Schon damals formte sich die orthodox werdende muslimische Praxis mit ihren "fünf Säulen" (Glaubensbekenntnis, fünfmaliges Gebet, Fasten während des Monats Ramadhan, Sozialsteuer, Pilgerfahrt nach Mekka) und das islamische Recht (Scharia) aus.

Dieser riesige Erfolg einer großen Idee brachte Muhammad (s.a.w.) nicht nur Bewunderung ein. Im Gegenteil: Er wurde zur meistverleumdeten, ja - verteufelten Persönlichkeit der Weltgeschichte überhaupt, im christlichen Mittelalter nicht nur als Antichrist, sondern als Höllenhund (Luther!) beschimpft. Welch ein Kontrast zu dem koranischen Gebot, die "Leute der Schrift", also Juden und Christen, freundlich zu behandeln und ihre Propheten, einschließlich Jesus, zu ehren. Goethe schrieb in "Dichtung und Wahrheit", dass er Muhammad (s.a.w.) "nie als einen Betrüger hatte ansehen können". Der Text des Korans selbst spricht offenbar dagegen, dass er eine Erfindung Muhammads (s.a.w.) ist, ganz abgesehen davon, dass der Prophet (s.a.w.) nie zuvor dichterische oder wahrsagerische Fähigkeiten bewiesen hatte: Gibt es doch im Koran mehrere scharfe und für Muhammad (s.a.w.) peinliche Zurechtweisungen seines Fehlverhaltens.

Gleichwohl gilt nach der Natur der Sache, dass die Überzeugung von der Authentizität der koranischen Offenbarung, so plausibel sie sein mag, erstlich und letzlich Glaubenssache ist. Daher ist denn auch das Islamische Glaubensbekenntnis nicht ein-, sondern zweiteilig: "Ich bekenne, dass es keinen Gott außer Allah gibt, und ich bekenne, dass Muhammad der Gesandte Allahs ist." Hingegen kann die Historizität des Koran wissenschaftlich bewiesen werden. Dass sein uns vorliegender Text authentisch ist, also dem entspricht, was Tausende Muslimen zum Todeszeitpunkt Muhammads auswendig kannten, wird auch von der westlichen Orientalistik nicht mehr bestritten. Es verhält sich mit dem Koran insofern anders als mit den Schriften des Alten und des Neuen Testaments. Diese stammen bekanntlich von unterschiedlichen Autoren aus unterschiedlichen Jahrhunderten; manche dieser Autoren sind unbekannt, und zahlreiche sogenannte Texte sind ohne Zweifel manipuliert worden. Der eigentliche Begründer des Christentums, Paulus, hat Jesus (a.s.) nicht einmal gekannt.

Im Gegensatz dazu ist der Koran der bestbezeugte Text aus der Spätantike überhaupt. Er ist nicht nur aus einem Guss (sieht man von der nicht chronologischen Anordnung der Suren ab), sondern hat - computergestützte Sprachanalysen erhärten dies - einen einzigen Verfasser, dessen sprachliche Eigenheiten denen von Muhammad (s.a.w.) nicht entsprechen (dessen Redeart wiederum in unzähligen Berichten (Hadithen) bestens dokumentiert ist). Hier ist nicht der Ort, die Geschichte der Endredaktion des Korans in allen Einzelheiten wiederzugeben (mehr Informationen dazu bei Ahmad von Denffer, 'Ulum Al-Qur'an, Leicester 1983, sowie Ahmad Ali al-Iman, Variant Reading of the Qur'an, Herndon, VA 1998). Jedenfalls erkannte schon der erste Kalif, Abu Bakr (r.a.), ein Jahr nach Muhammads (s.a.w.) Tod, dass der Koran zusammenhängend schriftlich festgelegt werden müsse und dass mögliche Unterschiede in kleinen Einzelheiten dabei vereinheitlicht werden sollten. Grundlage dafür war ein Text, den Muhammads Sekretär Zaid b. Thabit (r.a.) sorgfältigt erstellt hatte. Der dritte Khalif, Uthman (r.a.), verfügte schließlich im Jahr 653, dass nur noch der inzwischen konsolidierte Text des Korans, wie wir ihn heute kennen, benutzt werden dürfe. Von dem ihm nach Basra, Damaskus, Kufa, Medina und Mekka versandten offiziellen Kopien sind noch zwei erhalten. Eine befindet sich im Topkapi Museum von Istanbul, die andere in Taschkent. Zum ersten Mal gedruckt wurde der Koran kurioserweise in Deutschland, nämlich 1694 in Hamburg. Heute wird meist diejenige arabische Druckfassung verwendet, welche 1925 in Kairo erschienen ist.


Tip zum Gebrauch des (deutschsprachigen) Korans:
Der Koran besitzt im Gegensatz z.B. der Bibel keinen chronologischen Aufbau. Es ist deswegen für den Europäer normalerweise mühsam und unbefriedigend, den Koran einfach von vorne bis hinten zu lesen, auch wegen der im Koran häufig vorkommenden Wiederholungen. Wesentlich besser ist es meiner Ansicht nach, den Koran zur täglichen Lektüre zu machen, in dem man z.B. abends einen Teil liest und in Beziehung zu den stattgefundenen Ereignissen des Tages setzt. Dabei wird der Ausschnitt rein zufällig ausgewählt, d.h. der Koran an einer beliebigen Stelle aufgeschlagen. Man wird feststellen, dass die so "zufällig" gelesenen Verse oft in Verbindung mit den Tagesereignissen stehen und sehr gut geeignet sind, über diese zu reflektieren. So erfüllt der Koran am ehesten den ihm zugedachten Sinn, eine Leitung für den Menschen zu sein. So kann sich auch am besten eine Beziehung zu Allah entwickeln, denn der Koran ist zweifelsfrei des Wort Allahs.


Eigenheiten des Koran
Der Koran besitzt viele Eigenheiten, die klar erkennen lassen, dass ein solches Buch unmöglich von einem Analphabeten des 7. Jhdts. geschrieben werden konnte. Bitte dazu auch folgenden Artikel lesen: "Koran und moderne Wissenschaft


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